Das größte Instrument der Stadt

Das Glockenspiel im Turm des Alten Rathauses in Esslingen am Neckar erklingt fünfmal täglich, regelmäßig und ganz automatisch – immer kurz nach 8 Uhr (außer sonntags), 12 Uhr, 15 Uhr, 18 Uhr und 19:30 Uhr. Doch einmal im Monat ist das anders: Denn als eines der wenigen seiner Art im süddeutschen Raum ist das Esslinger Glockenspiel ein Instrument, auf dem noch regelmäßig Live-Konzerte gespielt werden. 

Mann mit Brille ab einem Keyboard sitzend, im Hintergrund mehrere Glocken
Leonhard Hell am Glockenspieltisch

Zu diesen Anlässen sitzt Leonhard Hell, der seit 2021 das Amt des Sachwalters und Glockenspielers ausübt, am Spieltisch und bringt jahreszeitlich abgestimmte Programme zu Gehör: Volkslieder und Werke der Klassischen Musik, aber auch andere beliebte Melodien. „Es ist schon etwas Besonderes, wenn die Glocken wie ein Instrument gespielt werden“, sagt Bürgermeister Yalcin Bayraktar. „Die Glockenspiel-Konzerte bieten, zusammen mit der schmucken Fassade des Alten Rathauses, ein Alleinstellungsmerkmal in der Region, das regelmäßig Besucher:innen nach Esslingen zieht“. Die Konzerttermine im ersten Halbjahr 2025 sind an den Samstagen 15. März, 12. April, 17. Mai und 21. Juni, jeweils zur Marktzeit um 10:30 Uhr.

Beim Live-Spielen wird der Anschlag der Glocken nicht über Lochbänder oder einen Computer ausgelöst, sondern sozusagen von Hand. Denn das Instrument ist mit einer Tastatur verbunden, sodass das Glockenspiel wie ein Klavier gespielt werden kann. Glockenspieler Leonhard Hell erklärt: „Der Anschlag auf der Tastatur wird in einen elektrischen Impuls umgewandelt, der das elektromagnetische Hammerwerk aktiviert.“ Drückt man also eine Klaviertaste, schlägt ein Klöppel gegen den Glockenrand und die Glocke erklingt. Und das unüberhörbar, in der ganzen Innenstadt bis hinauf zur Burg. Üben kann man also kaum auf diesem größten Instrument der Stadt – denn: „Wenn man Fehler macht, kann es jede:r hören“, lacht Leonhard Hell, „als Glockenspieler muss man mit diesem Druck umgehen können.“ 

Digital oder vom Lochband

Üblicherweise ertönen die Glocken automatisch. Dabei kommen die meisten Tonsätze vom digitalen Abspielsystem – nur gelegentlich sind auch noch ältere Lochbänder im Einsatz. Der Computer wird so programmiert, dass je nach Anlass oder Jahreszeit immer andere Stücke zu hören sind. Das Repertoire ist dabei schier unerschöpflich: Die Stadt Esslingen verfügt über den wahrscheinlich größten Bestand an Melodien, die deutschlandweit für ein Glockenspiel umgesetzt wurden. Das verdankt sie dem Einsatz ihrer Glockenspieler, die in den vergangenen Jahren unzählige bekannte und unbekannte Stücke für das Instrument arrangiert haben. Leonhard Hell kümmert sich wie seine Vorgänger um den Glockenspielcomputer, die Instandhaltung und die musikalische Programmgestaltung. Selbst hat er auch schon einige Stücke zum Repertoire beigetragen. Die Herausforderung dabei ist klar: „Wir haben 29 Glocken, also 29 Töne und auch 29 Tasten, auf die ich beim Komponieren und Spielen beschränkt bin“, erklärt Leonhard Hell. Deshalb müssen alle Melodien einzeln arrangiert werden. Doch genau diese Limitierung sorgt für den einzigartigen Klang des Instruments.

Fast 100 Jahre alt

Angelockt vom Reiz des Esslinger Glockenspiels in einem der schönsten Gebäude der Region werden nicht nur Tourist:innen, sondern auch Glockenspieler:innen aus aller Welt. Dazu trägt das Engagement der Carillonneurin Ekaterina Porizko bei, die das regelmäßig stattfindende Glockenspiel-Festival „Turm und Klang“ initiiert hat und leitet. Sie hat inzwischen auch die erste Meisterklasse für Carillonneur:innen in Deutschland ins Leben gerufen, der auch Leonhard Hell angehört. „Während das Esslinger Glockenspiel über eine Tastatur angeschlagen wird, werden Carillons über mechanische Seilzüge an vergleichsweise weit auseinanderliegenden Klöppeln angeschlagen“, erklärt der Esslinger Carillonneur in spe. In dem zweijährigen Studium lernen die Carillonneur:innen nicht nur die Spieltechnik auf verschiedenen Instrumenten, sondern auch die theoretischen Grundlagen des Glockenklangs und die damit verbundenen speziellen Arrangement-Techniken für Glockenspiele und Carillons.   

Die nächste Ausgabe von „Turm und Klang“ findet 2026 statt, wenn das Esslinger Glockenspiel ein großes Jubiläum feiert: Es wird 100 Jahre alt. Im Jahr 1926 hatten Esslinger Bürger:innen nach der Erneuerung des Alten Rathauses durch Prof. Lempp ein Glockenspiel gestiftet, das zunächst aus 24 Glocken bestand. Dank einer erneuten bürgerschaftlichen Initiative wurde es 1972 erneuert und auf 29 Glocken erweitert. Damit wurde der heutige Tonumfang von mehr als zwei Oktaven erreicht.

Glockenspiel für zuhause

Übrigens: Wer das Esslinger Glockenspiel im heimischen Wohnzimmer hören oder anderen ein Geschenk machen möchte, freut sich vielleicht über die CD „Besondere Klänge auf dem Alten Rathaus in Esslingen am Neckar“. Die CD ist bei der Stadtinformation am Marktplatz erhältlich.

Stadt Esslingen am Neckar

Kulturamt

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73728 Esslingen am Neckar
Telefon 0711 3512-2644
Gudrun Fretwurst

Leitung Öffentlichkeitsarbeit Kulturamt

(Erstellt am 06. März 2025)