Wie es um den Esslinger Wohnungsmarkt steht
Im Interview berichtet der Leiter der Stabsstelle Wohnen von der Lage auf dem hiesigen Wohnungsmarkt. Außerdem erfahren Sie, wo neue Wohnungen entstehen und was die Stadt für mehr bezahlbaren Wohnraum unternimmt.
20 Seiten Papier voller Zahlen, Daten und Fakten: Alle zwei Jahre legt die Stadt Esslingen den sogenannten Wohnraumsituationsbericht vor. Er beschreibt, wie es im Stadtgebiet um den Wohnungsmarkt steht – und wie sich die Versorgung mit Wohnraum in Esslingen verbessern ließe.
Anlässlich der jüngsten Vorstellung des Wohnraumsituationsberichts im Gemeinderat beantwortet Dr. Gunnar Seelow, Leiter der Stabsstelle Wohnen, dazu vier Fragen:
Wie dramatisch ist die Lage auf dem Esslinger Wohnungsmarkt?
Seelow: Zunächst müssen wir festhalten, dass wir zu den Gemeinden in Baden-Württemberg gehören, bei denen alle Untersuchungen auf einen angespannten Wohnungsmarkt hindeuten. Ganz konkret heißt das: Wir haben in Esslingen einen Mangel an Wohnraum, insbesondere einen Mangel an bezahlbarem Wohnraum.
Das zeigt sich zum Beispiel an der Zahl der Menschen, die auf unserer Notfallkartei stehen. Darin erfassen wir Haushalte, die äußerst dringend Wohnungen suchen. Deren Zahl stieg innerhalb der letzten zwei Jahre von rund 330 Haushalten auf nun über 570 Haushalte. Gleichzeitig beantragen immer mehr Menschen einen Wohnberechtigungsschein, der sie für das Anmieten von geförderten Wohnungen berechtigt.
Ist auf absehbare Zeit mit einer Entspannung zu rechnen?
Seelow: Nein, kurz- bis mittelfristig ist aus unserer Sicht auf dem Wohnungsmarkt mit keiner Verbesserung zu rechnen. So geht auch in diesem Jahr die Zahl der Fertigstellungen neuer Wohnungen deutlich zurück. Denn angesichts von Faktoren wie gestiegenen Materialpreisen, der Zinsentwicklung oder dem Fachkräftemangel wird derzeit kaum neuer Wohnraum gebaut – und wenn neue Wohnungen entstehen, dann bevorzugt im hochpreisigen Segment. Das sind Faktoren, die wir als Stadt nicht ausreichend beeinflussen können.
Gleichzeitig sehen wir, dass in Esslingen von Sommer 2023 bis Sommer 2024 auf Online-Portalen knapp 2.000 Wohnungen angeboten wurden. Es gibt also durchaus ein Angebot – allerdings in Preisklassen, die für viele schwierig zu stemmen sind.
Ist das ein spezielles Problem in Esslingen?
Seelow: Ganz und gar nicht. Wir bewegen uns in der Metropolregion Stuttgart auf einem einheitlichen Wohnungsmarkt. Je näher am Zentrum, desto höher sind die Preise auf diesem Markt. Nach außen hin werden die Preise kaskadenartig moderater. Das müssen die Menschen dann beispielsweise durch längere Pendelwege ausgleichen.
Generell liegen wir im kommunalen Vergleich mit ähnlich großen Städten aus unserer Sicht im Mittelfeld. Wir haben in den vergangenen Jahren als Stadtverwaltung einige Maßnahmen und Instrumente entwickelt, um die Situation auf dem Wohnungsmarkt zu verbessern. Gleichzeitig hören wir aber auch im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Verwaltungen, dass beim Thema bezahlbares Wohnen bislang noch keiner Stadt der große Wurf gelingt. Das liegt auch an strukturellen Problemen auf dem Wohnungsmarkt, auf die die Kommunen keinen Einfluss haben, etwa was Bauvorschriften oder das Zinsniveau angeht.
Wie könnte zumindest ein „kleiner Wurf“ aussehen?
Seelow: Wir haben in Esslingen durchaus noch Hebel, an denen wir ansetzen können. Zum einen arbeiten wir gemeinsam mit den anderen Ämtern daran, die anstehenden Großprojekte schnellstmöglich zu realisieren, sodass in den kommenden Jahren hunderte neue Wohnungen gebaut werden können. So werden auf dem Karstadt-Areal, wenn der Gemeinderat zustimmt, rund 12.000 Quadratmeter neuer Wohnraum entstehen. In der Pipeline sind ebenfalls das Tobias-Mayer-Quartier oder das ehemalige Hochschulareal auf der Flandernhöhe.
Bei all diesen Vorhaben ist es aus unserer Sicht entscheidend, dass möglichst viel und möglichst preiswerter Wohnraum entsteht. Das erreichen wir durch unser Quotenmodell, das der Gemeinderat bereits im Mai 2023 beschlossen hat. In der Zusammenarbeit mit Genossenschaften und Investoren stellt es sicher, dass die Hälfte der neu entstehenden Wohnungen als geförderter und somit günstigerer Wohnraum ausgewiesen wird.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es keine einzelne Maßnahme gibt, die die Wohnungsnot in Esslingen lindern wird. Am Ende können wir die Situation auf dem Wohnungsmarkt für unsere Bürgerinnen und Bürger nur mit einer Kombination aus allen Möglichkeiten verbessern, die uns zur Verfügung stehen.
Wo neue Wohnungen entstehen
So schön Esslingen zwischen Weinbergen, Schurwald und Neckar eingebettet liegt – aufgrund dieser Lage stoßen die Stadtplanerinnen und Stadtplaner jedoch schnell an topografische Grenzen, wenn es um dringend benötigte Flächen für neuen Wohnraum geht.
Nichtsdestotrotz gibt es noch Flächen, auf denen in den kommenden Jahren neue Wohnungen entstehen sollen. Ein Überblick:
Karstadt-Areal
In zentraler Lage will der Strabag-Konzern die Innenstadt mit Einzelhandel und gewerblicher Nutzung neu beleben und zeitnah dringend notwendigen Wohnraum schaffen. Dazu soll im bestehenden Gebäude eine gewerbliche Mischung einziehen, die sich beispielsweise aus Handel, Dienstleistungen, Fitness, Arztpraxen und Büros zusammensetzen könnte. Auf der dahinterliegenden Fläche, die bislang als Parkplatz genutzt wird, plant Strabag in insgesamt vier neuen Gebäuden rund 136 Wohnungen. Über das Vorhaben wird der Esslinger Gemeinderat in seiner Sitzung am 16. Dezember abstimmen.
Hochschulstandort Flandernstraße
Das Hochschulareal an der Flandernstraße ist eine der Flächen in Esslingen mit dem größten Potenzial für Wohnraum. Daher soll dort in Zukunft ein ganz neues Wohnquartier entstehen, das auch den umliegenden Stadtteilen eine zukunftsfähige Infrastruktur bietet.
Nach bisherigem Stand der Planungen bietet das neue Quartier Potenzial für hunderte neue Wohnungen. Neben einer „Quartiersmitte“ als zentraler Treffpunkt der Nachbarschaft soll zur besseren Nahversorgung auch ein Lebensmittelmarkt angesiedelt werden. Davon würden auch die umliegenden Stadtteile profitieren, die momentan über zu wenige Einkaufsmöglichkeiten verfügen. Angebote zur Gesundheitsversorgung, eine Kindertagesstätte und Freizeitangebote sollen das neue Quartier ergänzen.
Tobias-Mayer-Quartier
Ebenfalls eine Menge Potenzial für jede Menge neue Wohnungen findet sich hoch über den Dächern der Esslinger Burg im Tobias-Mayer-Quartier. Dort sollen künftig bis zu 1.000 Menschen eine neue Heimat und ein neues Miteinander finden. Denn die geplanten Wohngebäude sollen sich an den Rändern des Quartiers konzentrieren, sodass im Innern genügend Freiraum für die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner bleibt. Dank Gärten, Plätzen und kleinen Aufenthaltsflächen werden so Orte der Begegnung geschaffen.
Was die Stadt unternimmt
Um die angespannte Lage auf dem Esslinger Wohnungsmarkt zu lindern, setzt die Stadt Esslingen auf verschiedene Bausteine. Sie sollen dabei helfen, ein möglichst bezahlbares und bedarfsorientiertes Angebot an Wohnraum zu schaffen. Eine Auswahl:
Mietenmonitor
Zielgerichtet über die gesetzliche Mietpreisbremse informieren und deren Einhaltung in Esslingen beobachten: Das ist das Ziel der Kooperation mit dem Unternehmen Mietenmonitor, die die Stadt Esslingen im Sommer 2023 gestartet hatte.
Dazu erfasst Mietenmonitor automatisch angebotene Mietwohnungen in Esslingen. Anhand der angegebenen Informationen berechnet Mietenmonitor die ortsübliche Vergleichsmiete und gleicht diese mit der geforderten Miete ab. Anschließend erhält die Stadt Esslingen monatlich eine Auswertung der Wohnungsangebote, deren Miete womöglich gegen die Einhaltung der Mietpreisbegrenzung verstößt.
Im ersten Jahr der Kooperation wurden auf diese Weise fast 2.000 Immobilienangebote erfasst. Dabei ergaben sich bei 411 Inseraten Hinweise auf eine Nichteinhaltung der Mietpreisbremse. In insgesamt 295 Fällen hat die Stadt Esslingen daraufhin die Vermieterinnen und Vermieter kontaktiert und sie auf die Einhaltung der Mietpreisbremse hingewiesen. In 45 Fällen haben diese die Höhe der Kaltmiete nach der Information durch die Stadt Esslingen schließlich angepasst.
Wohnraummanagement
Gekündigt wegen Eigenbedarf oder eine Wohnung mit undichten Wasserleitungen: Einige Esslinger Bürgerinnen und Bürger suchen dringend bezahlbaren und geeigneten Wohnraum. Knapp über 570 Familien und Haushalte stehen derzeit in der städtischen Notfallkartei für Menschen, die zeitnah Wohnungen benötigen. Abhilfe schafft hier das Wohnraummanagement der Stadt Esslingen.
Seit Ende 2019 bringt die Initiative Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien mit Personen auf Wohnungssuche zusammen. Die Eigentümerinnen und Eigentümer erhalten bis zu 3.500 Euro Sanierungszuschuss je einziehender Person und sind während der gesamten Laufzeit von fünf oder zehn Jahren gegen Mietausfälle abgesichert. Gleichzeitig entfallen die Annonce der Wohnungen, die Kommunikation mit Interessierten und die vielen Wohnungsbesichtigungen. Selbstverständlich können Eigentümerinnen und Eigentümer die einziehenden Personen vorab kennenlernen und gemeinsam mit der Stadt Esslingen auswählen.
Wohnungstauschbörse
Eine Einzimmerwohnung in Berkheim, drei Zimmer in der Innenstadt oder ganze 140 Quadratmeter auf der Neckarhalde: Diese Immobilieninserate finden sich aktuell in der Wohnungstauschbörse der Stadt Esslingen. Seit 2023 können Bürgerinnen und Bürger über ein benutzerfreundliches Online-Portal die eigenen vier Wände zum Tausch anbieten.
Wer beispielsweise in einer zu großen Wohnung lebt, weil die Kinder inzwischen ausgezogen sind, kann seine Wohnung mit einer jungen Familie tauschen, die dringend mehr Fläche benötigt. Kommt ein Wohnungstausch zwischen zwei Parteien in Frage, vermittelt die Stadt Esslingen den Kontakt. So können die Beteiligten gemeinsam alle Details besprechen, also zum Beispiel die Zustimmung beider Vermieterinnen und Vermieter einholen oder den idealen Zeitpunkt des Umzugs abklären.
Büro des Oberbürgermeisters