Jugendsozialarbeit an Esslinger Schulen

Bernd Berroth, Amtsleiter vom Amt für Bildung, Erziehung und Betreuung, Reinhold Karrer, Sachgebietsleiter Jugendsozialarbeit und Steffen Hohl, Schulsozialarbeiter an der Seewiesenschule sprechen über Jugendsozialarbeit an Esslingens Schulen.

Bernd Berroth, Steffen Hohl und Reinhold Karrer im Schülercafé der Seewiesenschule

Bernd Berroth, Steffen Hohl und Reinhold Karrer im Schülercafé der Seewiesenschule (von links)

Die Schulsozialarbeit ging 1992 in Esslingen an den Start, als vom Land Baden-Württemberg gefördertes Projekt unter Trägerschaft des Landkreises. Seit 2002 ist sie fester Bestandteil an allen städtischen Schulen und läuft unter Trägerschaft der Stadt. Nach diesen mittlerweile 32 Jahren Erfahrung berichten Bernd Berroth, Amtsleiter vom Amt für Bildung, Erziehung und Betreuung, Reinhold Karrer, Sachgebietsleiter Jugendsozialarbeit und Steffen Hohl, Schulsozialarbeiter an der Seewiesenschule im Gespräch aus der Praxis.

Warum wurde Jugendsozialarbeit an Esslingens Schulen eingeführt?

Berroth: Es gab einen großen Bedarf an einem Unterstützungssystem an den Schulen. Beim Start der Schulsozialarbeit hat man sich damals auf sogenannte Brennpunktschulen fokussiert. Mittlerweile sind alle Schulen über diese wertvolle Unterstützung dankbar. Früher wurde es an den Schulen durchaus als Makel angesehen, wenn es dort Schulsozialarbeit gab, heute ist es ein Qualitätsmerkmal.

Wie wird die Jugendsozialarbeit finanziert?

Berroth: Die Stadt stemmt einen Großteil und etwa ein Drittel kommt je von Land und Landkreis hinzu. Der Gemeinderat hat immer mitgezogen und die Finanzen bewilligt, deshalb sind wir in Esslingen vergleichsweise sehr gut aufgestellt. Im Augenblick teilen sich 28 Personen rund 20 Vollzeitstellen.

Karrer: Die Genehmigung des Gemeinderats ist auch daran geknüpft, dass in jeder Schule bestimmte Kernleistungen erbracht werden, also beispielsweise Präventionsarbeit durch Angebote in Klassen und Gruppen. Neben der inner- und außerschulischen Kooperation und Vernetzung nimmt die Beratung und Einzelfallhilfe einen hohen Stellenwert ein.

Welche Angebote gibt es?

Hohl: Die regelmäßigen Angebote hängen vom jeweiligen Standort ab. Hier an der Seewiesenschule haben wir beispielsweise als präventiven Ansatz jede Woche einen Klassenrat, den die Klassen 3 bis 7 fest im Stundenplan haben. Stufe 1 bekommt regelmäßig ein individuelles sozialpädagogisches Angebot und wird von der Schulsozialarbeit beim Ankommen begleitet. In Stufe 2 machen wir ein soziales Kompetenztraining. In Stufe 6 bieten wir das Projekt „RESPEKT“ zur Gewaltprävention mit Kampfkunst an. Die Klassen 8 bis 10 melden sich, wenn sie etwas benötigen.
Außerdem gibt es beispielsweise noch Angebote zum Thema Suchtprävention oder Elternabende zu bestimmten Themen. Die übrige Zeit ist mit Beratungsgesprächen und Einzelfallhilfe gefüllt.
Schulsozialarbeit ist Beziehungsarbeit, wir können kaum arbeiten, wenn wir keine Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern haben. Würden wir lediglich Sprechstunden anbieten, kämen die wenigsten. Oft beginnt ein Gespräch zunächst mit alltäglichen Themen und erst dann rückt das Kind damit heraus, dass es ihm gerade nicht so gut geht.

Karrer: Das Kind muss zwar in die Schule gehen, die Teilnahme an Angeboten der Schulsozialarbeit ist jedoch freiwillig. Wenn es Probleme gibt, signalisieren wir allerdings, dass wir dranbleiben. Insbesondere wenn das Kindeswohl gefährdet ist, gibt es keinen Spielraum, dann sind wir verpflichtet abzuklären, was dahinter steckt.
Es ist wichtig, dass Kontakt mit der Schulsozialarbeiterin oder dem Schulsozialarbeiter nicht automatisch heißt „ich habe ein Problem“. Das hilft den Kindern, sich nicht als Problemfall stigmatisiert zu fühlen und senkt die Schwelle, sich zu melden. Die Schulsozialarbeit kümmert sich nicht nur um diejenigen, die einen hohen Förderbedarf haben, sondern die präventive Arbeit betrifft alle.

Mit welchen Anliegen kommen die Schülerinnen und Schüler?

Hohl: Ich mache das jetzt seit über 20 Jahren und eigentlich hat sich gar nicht so viel verändert. Die neuen Medien sind dazu gekommen, aber sonst sind die Themen die gleichen: von Schwierigkeiten mit den Eltern, über Pubertät, Liebeskummer und Freundschaft bis hin zu Mobbing, Suizidgedanken und Selbstverletzung. Auch Leistungsdruck und Sucht sind Themen. Generell haben seit Corona psychische Auffälligkeiten, wie Ängste und soziale Phobien, zugenommen. Natürlich können wir das nicht alles abdecken, aber wir können dabei begleiten, beispielsweise indem wir zu einer Beratungsstelle mitgehen oder auch helfen, die Zeit zu überbrücken, bis ein Therapieplatz gefunden wird.

Karrer: Wir sind hier auch eine Brücke nach außen und schauen, welchen externen Partner müssen wir dazu holen, um dem Kind zu helfen. Dafür ist es wichtig, gut vernetzt zu sein.

Welche Erfolgsgeschichten gibt es?

Hohl: Manche kommen ein paar Jahre nach der Schule vorbei und erzählen, wie sie ihren Weg gefunden haben: Ausbildung begonnen, Studium gemacht, die Situation mit der Familie auf die Reihe bekommen. Das ist schön zu sehen, gerade wenn es vorher nicht absehbar war. Natürlich ist es ein Zusammenspiel mit Lehrkräften und Eltern, aber ich denke schon, dass wir durch unsere Präventivmaßnahmen einen wichtigen Anteil daran haben, wenn sich eine Klassengemeinschaft gut entwickelt.

Berroth: Ganz wichtig ist die enge und gute Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften und Schulsozialarbeit. Auch, dass eine Familie bereit ist, zusammenzuarbeiten, ist ein Erfolgskriterium.

Wo geht es mit der Jugendsozialarbeit hin?

Berroth: Es stehen viele Veränderungen in den Schulen an, beispielsweise werden die Schülerinnen und Schüler künftig noch länger vor Ort sein. Wir haben es an Gemeinschaftsschulen mit einer Bandbreite zwischen Förderschul- und Gymnasialniveau innerhalb einer Klasse zu tun. Geflüchtete Kinder müssen in die Klassengemeinschaft integriert werden. Digitalisierung und soziale Medien haben eine neue Dimension bei der Medienbildung mit sich gebracht. Ganz zu schweigen von aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und weltweiten Krisen. All dies bringt auch für die Jugendsozialarbeit große Herausforderungen mit sich, aber ich bin mir sicher, dass wir durch das sehr engagierte Team und eine gut funktionierende Kooperation mit Schulen und Eltern die Zukunft gemeinsam meistern werden.

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