Ein neuer Bewohner beißt sich durch
Die Fraßspuren sind nicht zu übersehen: Der Biber hat sich am Rossneckar angesiedelt. Das ist gut für die Biodiversität. Allerdings müssen die Bäume geschützt werden.
Lang kann die letzte Mahlzeit des Bibers nicht her sein. Die Reste – ein Haufen Späne – liegen noch am Ufer des Rossneckars. Auch an anderen Stellen gibt es frische Spuren des Nagetiers. Auf Höhe des Hengstenbergareals finden sich am Wasserrand zahlreiche angenagte Weiden und andere Bäume. Manche Bissspuren sind schon etwas gräulich gefärbt und damit älter, andere wiederum glänzen noch feucht. „Das Tier ist hier aktuell aktiv, das ist offensichtlich“, sagt Sascha Arnold vom Esslinger Grünflächenamt
Seit vergangenem Herbst zeigen sich entlang des Rossneckars vermehrt Spuren des größten Nagetiers Europas. Dass der Biber sich am Neckar wieder angesiedelt hat, ist allerdings schon länger bekannt. „Vor gut fünf Jahren haben wir erste Fraßspuren im Naturschutzgebiet Alter Neckar gefunden“, berichtet Arnold. Wenig später zeigte sich bei Begehungen im Rahmen der Radschnellwegplanung, dass sich das Tier vorgearbeitet hatte und auch am Rossneckar unterwegs war. „Seit Herbst sind die Aktivitäten nahezu explodiert.“ Gleich zweimal mussten Mitarbeitende des Grünflächenamtes mit der Kettensäge anrücken: „Wir haben entlang des Rossneckars zwei angenagte Bäume gefällt, die sonst womöglich auf den Radweg gestürzt wären.“ Ein Baum ist direkt neben der Brücke über den Rossneckar zu sehen. Die mächtige Weide wurde oberhalb der Bissspuren abgesägt – mittlerweile hat auch der Biber den beeindruckenden Stamm einmal komplett durchgenagt.
Ob es übrigens ein Biber ist oder ob mehrere Exemplare in Esslingen wohnen – und vor allem wo die Tiere genau leben, das wissen die städtischen Experten nicht. „Wir vermuten, dass der oder die Biber einen Bau im Bereich Alter Neckar haben. Da ein Revier bis zu sieben Kilometer Gewässerlänge haben kann, ist es gut möglich, dass die Tiere zum Fressen an den Rossneckar kommen“, erläutert Sascha Arnold. Biber graben sich oft unter der Wasseroberfläche in die Böschung hinein, legen dort einen Bau an und häufen zudem noch Geäst an dieser Stelle auf die Erde. Ein neuer Gehölzhaufen am Rossneckar könnte eine solche Biberburg sein, „aber das ist nur eine Vermutung.“ Da die Tiere vor allem nachts unterwegs sind und eher scheu, sind Sichtungen selten - nur einmal gelang es einer städtischen Mitarbeiterin Ende vergangenen Jahres einen Biber auf Höhe des Hengstenbergareals zu beobachten.
Für Sascha Arnold ist der neue Esslinger Bewohner zum einen eine schöne Sache: „Biber sind an sich putzige Tiere, die zudem die Biodiversität fördern und die Gewässerstruktur positiv beeinflussen können.“ Ein Beispiel: An einer Stelle des Rossneckars liegt ein vom Biber gefällter Baum halb im Wasser. „Dieser kann Fischen einen Unterstand bieten oder für Anlandungen sorgen.“
Zum anderen aber muss die Stadt nun überlegen, wie sie ihre Bäume vor den hungrigen Nagern schützen kann. „Wir haben an einer Stelle schon eine große Weide sowie eine frisch gepflanzte Pappel mit einem Gitterschutz versehen“, erläutert Arnold. Auch beim Neckaruferpark, der derzeit gebaut wird, müsse der Baumschutz verstärkt mitgedacht werden. Viel mehr bleibt nicht übrig: Weil der Biber streng geschützt ist, darf er nicht gestört oder gar getötet werden. Von Studien weiß Sascha Arnold, dass letzteres auch wenig erfolgreich ist: „Wenn das Nahrungsangebot stimmt und das Revier frei ist, dann kommt der Biber immer wieder.“ Ganz davon abgesehen: „Man kann immer Lösungen finden, damit das Nebeneinander von Mensch und Biber funktioniert.“ Jetzt hofft Sascha Arnold erst einmal, dass der Biber sich im Frühjahr wieder anderen, frisch sprießenden Pflanzen wie Gras, Kräutern oder Wurzeln zuwendet: „Dann haben wir etwas Zeit, uns weitere Maßnahmen für unsere Bäume zu überlegen.“
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