Wie ein emissionsfreier Nahverkehr gelingen kann
Am Montag berät der Gemeinderat über das weitere Vorgehen bei der Elektrifizierung des städtischen Busverkehrs. Dazu hat die Stadt verschiedene Szenarien ausgearbeitet.
Eigentlich war das Vorhaben klar: Bis 2026 sollte der gesamte städtische Busverkehr zu 100 Prozent elektrisch betrieben werden. „Damit wäre Esslingen bundesweit eine der ersten Städte mit einem emissionsfreien Nahverkehr und ein absoluter Vorreiter in Sachen umweltfreundliche Mobilität“, betont Oberbürgermeister Matthias Klopfer. Möglich gemacht hätte das zum einen die Beschaffung 46 neuer Oberleitungsbusse, zum anderen der Ausbau des Oberleitungsnetzes um weitere fünf Kilometer. Für dieses innovative und zukunftsträchtige Projekt erhielt Esslingen vom Bundesverkehrsministerium bereits den Zuschlag über Fördergelder in Höhe von 27,4 Millionen Euro - die größte Einzelförderung, die die Stadt jemals vom Bund erhalten hat.
Doch im Frühjahr 2024 gerieten die Pläne ins Stocken: Der belgische Bushersteller Van Hool, bei dem die Stadt Esslingen 46 neue Oberleitungsbusse bestellt hatte, meldete Insolvenz an und konnte den Auftrag nicht mehr erfüllen. „Deshalb müssen wir diese Bestellung nun erneut europaweit ausschreiben“, erklärt Ingo Rust, als Erster Bürgermeister für den Städtischen Verkehrsbetrieb (SVE) zuständig. „Und aufgrund der Größenordnung dieser Vergabe liegt die Entscheidung darüber beim Gemeinderat.“ Am kommenden Montag, 25. November, wird die Stadtverwaltung daher im Ausschuss für Bauen, Mobilität und Klima umfassend über die aktuelle Situation und die möglichen Alternativen berichten. Ein Gemeinderatsbeschluss über die weitere Elektrifizierung des Nahverkehrs in Esslingen ist dann für Dezember geplant.
Szenarien ausgearbeitet
Dazu hat die Stadt Esslingen verschiedene Szenarien ausgearbeitet, die sich um mögliche Antriebstechnologien drehen. Aufgrund einer EU-Richtlinie müssen bis zum Jahr 2030 mindestens 65 Prozent der neuen Fahrzeuge mit einem emissionsfreien Antrieb ausgestattet sein. Daher ist die ausschließliche Beschaffung von Dieselbussen keine Option. „Auch Wasserstoffbusse sehen wir aufgrund der nicht vorhandenen Infrastruktur, der unklaren Verfügbarkeit und der unbekannten Preisentwicklung von Wasserstoff derzeit eher kritisch“, erklärt Johannes Müller, Technischer Werksleiter des SVE. Daher fokussieren sich die Szenarien auf verschiedene Alternativen von Elektrobussen.
Eine Variante wäre es beispielweise, am geplanten und vom Gemeinderat bereits beschlossenen Vorhaben festzuhalten und nach der Insolvenz des ersten Anbieters lediglich die Anschaffung der 64 neuen Oberleitungsbusse neu auszuschreiben. Hinzu käme der Ausbau des Oberleitungsnetzes um weitere 15 Prozent, wovon der erste Bauabschnitt bereits erfolgreich umgesetzt wurde. Dabei würde auch die Bundesförderung in Höhe von 27,4 Millionen Euro erhalten bleiben. Hier hat die Stadt bereits die Zusage des Bundes erhalten, dass die Bewilligung der Fördergelder aufgrund der Insolvenz verlängert wird.
Denkbar wäre auch, statt der bisherigen Oberleitungsbusse vollständig auf Batteriebusse zu setzen. Dazu wäre kein weiterer Ausbau der Oberleitung notwendig, das bereits bestehende Netz mit einer Länge von 29 Kilometern könnte abgebaut werden. Das Laden der Busse wäre allerdings kompliziert: Sie stehen nachts nur etwa vier Stunden im Depot und rücken schon gegen vier Uhr morgens wieder auf ihre Linien aus. „In dieser Zeit könnten nicht alle Busse für die gesamte Tagesstrecke geladen werden“, erklärt Johannes Müller. „Daher wären neben einer Umrüstung des Busbetriebshofs an einzelnen Endhaltestellen zusätzlich sogenannte Pantografen, also große Ladesäulen, notwendig.“ Die Leitungen dazu müssten eigens dafür unterirdisch verlegt werden.
Neben diesen beiden Optionen bestünde auch die Möglichkeit, auf eine Mischung von Oberleitungs- und Batteriebussen zu setzen. Dazu würde die Oberleitungsinfrastruktur nur noch teilweise ausgebaut und ein Mix aus 19 Oberleitungsbussen und 43 reinen Batteriebussen beschafft werden. Auch hier wären eine Umrüstung des Betriebshofs sowie Ladesäulen im Stadtgebiet notwendig. Als weitere Alternative könnte die Stadt Esslingen nur die laut EU-Richtlinie notwendige Zahl von emissionsfreien Bussen beschaffen und ansonsten Dieselfahrzeuge anschaffen.
Auswirkungen auf Kosten und Emissionen
All diese Szenarien unterscheiden sich dabei in Bezug auf ihren Umsetzungszeitraum, ihre Kosten und die CO2-Emissionen. So schwankt etwa der Zeitraum, in dem die Varianten umgesetzt werden könnten, von zwei Jahren beim Festhalten an den Oberleitungsbussen bis hin zu zehn Jahren beim vollständigen Setzen auf Batteriebusse inklusive der Umrüstung des Betriebshofs. Die Kosten bewegen sich pro Jahr in einem Rahmen von rund 500.000 Euro, wenn die Oberleitungspläne weiterverfolgt werden, bis hin zu rund 2,36 Millionen Euro pro Jahr, wenn die Stadt auf eine Mischung von Oberleitungs- und Batteriebussen setzen sollte. Bereits im Jahr 2026 oder spätestens im Jahr 2028 könnten die CO2-Emissionen je nach Szenario bei null liegen, beim Mix mit Dieselbussen würde der SVE allerdings weiterhin CO2 ausstoßen.
„Egal für welche Antriebstechnologie sich der Gemeinderat im Dezember letztlich entscheidet“, stellt Ingo Rust fest, „unser oberstes Ziel ist es, unseren Fahrgästen weiterhin größtmöglichen Service und zuverlässige Verbindungen zu bieten. Klar ist aber auch: Die Bundesförderung in Höhe von 27,4 Millionen Euro ist an das Oberleitungsprojekt gebunden. Wenn wir nun stattdessen beispielsweise auf reine Batteriebusse setzen, sind diese Fördergelder weg.“
Büro des Oberbürgermeisters