Interview mit dem neuen Esslinger Stadtjäger
Christian Schwenk ist der erste offiziell eingesetzte Stadtjäger in Esslingen. Sein Fokus liegt auf der Beratung, wenn es zwischen Mensch und Tier kriselt.
Die Begegnungen zwischen Menschen und den neuen tierischen Bewohnern bleiben nicht immer konfliktfrei. Deshalb gibt es in Esslingen seit kurzem einen offiziell eingesetzten Stadtjäger.
Christian Schwenk aus Lenningen engagiert sich seit vielen Jahren nebenberuflich als Stadtjäger und ist Landesobmann der Stadtjäger im Jagd-, Natur- und Wildtierschützerverband Baden-Württemberg. Der 51-jährige Landesbeamte berichtet im Interview von seiner Tätigkeit - und davon, welche Fehler häufig im Umgang mit Wildtieren gemacht werden.
Herr Schwenk, warum brauchen wir Stadtjäger?
Es gibt immer mehr Wildtiere im Siedlungsraum, dadurch nehmen die Mensch-Tier-Konflikte zu. Die Landesregierung hat sich deswegen vor einigen Jahren dem Thema angenommen - übrigens als erste in Deutschland - und in letzter Konsequenz die Stadtjäger geschaffen.
Wir haben die Aufgabe, in Siedlungsbereichen bei Wildtierfragen zu beraten und zu unterstützen. Dafür sind wir speziell ausgebildet. Denn unsere Arbeit unterscheidet sich von der Jagd in Wald und Flur. Wichtige Themen sind zum Beispiel Kommunikation, rechtliche Fragen, Wildtierkrankheiten und die Fallenjagd.
Welche Wildtiere fühlen sich in Esslingen denn inzwischen wohl, was für Konflikte gibt es?
Zum einen gibt es viele Steinmarder, die nicht nur im Motorraum von Autos, sondern auch unter Dächern unterwegs sind. Da sie nachtaktiv sind, können sie einem damit den Schlaf rauben.
Zum anderen ist die Population von Füchsen groß, was dazu führt, dass wir es mit vielen kranken Tieren zu tun haben. Diese Krankheiten können auf andere Tiere übertragen werden. Konflikte gab es auch schon mit Dachsen, die sich fleißig eingraben. Sie hatten in einem Fall die Erde unter Garagen so stark unterhöhlt, dass diese nicht mehr stabil standen.
Der Waschbär hingegen macht in Esslingen noch nicht so große Probleme. Von Vorteil ist, dass hier im Landkreis der Biomüll in Tonnen gesammelt wird, dadurch kommen
die Tiere nicht so leicht an die Küchenabfälle ran.
Was lockt die Wildtiere denn noch in die Stadt, was sollten Einwohner:innen beachten?
Ganz grundsätzlich sollte man immer dran denken, dass es Wildtiere sind. Man kann sich an ihrem Anblick erfreuen, aber sollte immer den notwendigen Abstand einhalten und Respekt vor den Tieren haben. Das bedeutet auch, dass man Wildtiere nicht anlocken oder anfüttern sollte. Die Tiere verstehen nicht, bis zu welchem Punkt alles toll ist und ab wann Menschen nicht mehr erfreut sind.
Wildtiere werden angelockt, wenn es Futter, eine Unterkunft oder Fortpflanzungsmöglichkeiten gibt. Küchenabfälle auf dem Kompost, aufgehängtes Vogelfutter, aber auch ausgelegtes Katzen- und Hundefutter locken an. Wer eine Gartenhütte hat, sollte zum Beispiel überprüfen, ob ein Tier reinkommen kann oder ob es Untergrabungen gibt. Und man sollte die Tiere auf keinen Fall gewähren lassen, denn von alleine wird es nie weniger.
Wenn sich nun zum Beispiel ein Steinmarder unter meinem Dach angesiedelt hat: Wie können Sie mir helfen?
Ich höre mir das Problem an und schaue mir grundsätzlich die Situation vor Ort an. 90 Prozent meiner Einsätze bestehen aus Information und Beratung. Im Fall des Steinmarders hilft es meistens schon, den Tieren die Aufstiegsmöglichkeit aufs Dach zu nehmen. Wenn ich das Tier einfach nur einfange, schaffe ich Platz für das nächste - denn das Problem ist ja dadurch nicht gelöst.
Um eine Falle aufzustellen, dafür braucht es übrigens einen triftigen Grund - ein "das Tier stört mich" reicht nicht aus. Bis zu einem gewissen Grad müssen wir uns daran gewöhnen, dass es Wildtiere in der Stadt gibt, die nicht verstehen, was Zäune sind und durch den Garten laufen.
Eine Fallenjagd kann zum Einsatz kommen, wenn das Tier erhebliche Elementarschäden anrichtet - wir hatten zum Beispiel den Fall, dass Waschbären die Dachisolierung eines erst zwei Jahre alten Hauses zerstört hatten. Handlungsbedarf kann es auch geben, wenn die Gesundheit beeinträchtigt wird.
Was passiert mit dem gefangenen Tier?
Das wird von mir vor Ort getötet, alles andere wäre Tierquälerei. Wenn ich es irgendwo im Wald aussetze, dann kennt es sich dort nicht aus, hat kein Futter und keinen Unterschlupf und dringt in das Revier eines anderen Wildtiers ein. Weil das gefangene Tier sowieso schon in Panik ist, will ich es auch nicht unnötig lange in der Gegend herumfahren.
Müssen Bürger:innen für Ihre Arbeit bezahlen?
Für meine Beratung ist eine überschaubare Pauschale fällig. Denn ich möchte mein Wissen und meine Zeit vergütet wissen. Da die Fallenjagd sehr zeitintensiv ist, wird für diese nochmal eine Entschädigung fällig - zumal ich in meine Ausrüstung investiert habe. Aber da mache ich einen Kostenvoranschlag, damit man weiß, was auf einen zukommt.
Meistens sind aber nicht die Kosten der ausschlaggebende Punkt. Bei vielen Menschen schlagen zwei Herzen in einer Brust: Sie wollen nicht, dass dem Tier was passiert, aber sie wollen trotzdem ihr Problem loswerden. Umso wichtiger ist eine gute Beratung.
Wer die Hilfe des Stadtjägers benötigt, kann sich beim städtischen Vollzugsdienst unter 0711 3512 2868 oder vollzugsdienst@esslingen.de melden.
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